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Die Nähe der Ferne

By Donnerstag, der 9. April 2020April 11th, 2020Food for thought

Wir lächeln uns aus der Ferne zu. Blicke, die sich treffen dürfen während die Körper einander weiträumig ausweichen müssen. Wann zuletzt habe ich jemandem die Hand gegeben? Ich versuche mich zu erinnern, doch es gelingt mir nicht.
An diesen Tagen der neuen und noch ungewohnten Distanzierung vermeiden die meisten Menschen auch Augenkontakt. Bewegen sich in seltsamen Schlangenlinien, um anderen Passanten nicht nahe zu treten. Zu den gesenkten Blicke werden oft auch die Ohren verschlossen. Die räumliche Separation wird durch eine akustische verstärkt. Kopfhörer betonen bei vielen den hermetischen Innenraum. Ein zufälliges Gespräch könnte infektiös sein. Unser Leben in den neuen Zonen willentlich beschützter Keimfreiheit. Unser Leben im Séparée einer zunehmend rigoros abgeteilten und öffentlich verteidigten Individualsphäre. Ein Leben wie hinter einem Sichtschutz. Die Schutzkleidung medizinischer Katastrophenhelfer kann man sich leicht dazu denken.

Eine Blüte, die sich in einem paradoxen Impuls zurück zur Knospe einfaltet und schließt. Vielleicht hat sie zu viel Sonne gekriegt.

Wenn die Menschheit ein Kind wäre, könnte man denken, so drängt es sie dieser Tage in den Mutterleib zurück.
Ganze Gesellschaften im shut down und locked in. Zieht sich der Himmel zu, spürt man den Abgrund komatösen Stillstands und könnte die momentane Ruhe glatt mit der ewigen verwechseln.

„Bunkerstimmung“, beobachtet Medientheoretiker Peter Weibel im Sozium der Gegenwart. Ein ansteckendes Phänomen. Jeder für sich ganz allein unter vielen. Die Begriffe Einsiedler und Eremit bekommen dieser Tage ganz neue, aktualisierte Bedeutungen. Willkommen in der neuen Distanzgesellschaft …

Vielleicht haben wir viel zu lange viel zu nahe aufeinander gehockt, und das haben wir jetzt davon: Ein Virus, welches uns zum Rückzug zwingt.

Angenommen, die Menschheit ist dieser Tage tatsächlich zurück in den Mutterleib gekrochen. Klar, wissen wir, so ein Zustand wird nicht haltbar sein. Das Kind muss auf die Welt kommen, selbst wenn es Menschheit heißt. In seinem vorigen Leben ist einiges falsch gelaufen. Oder vielleicht haben sich die Dinge auch nur entsetzlich verkompliziert. Die Wirtschaft mit ihren Swaps und Flops, ihren Derivaten und Bailouts, die niemand mehr versteht. Von Konsum und Kapitalismus bis zur Klimakrise, vom Krankenverwahrungsbetrieb bis zur Umverteilung – viele Leute haben Ideen, keiner weiß mehr, wie was funktioniert. Das System hat sich von den Menschen entkoppelt, für die es eigentlich da sein sollte. Das frustriert Politiker, die nachthaltig und systemrelevant entscheiden sollen. Und es deprimiert die Technokraten, die systematisch optimieren wollen. Wenig davon, denken viele, gelingt. Der Kapitalismus bläht sich immer weiter auf. Die Welt kriegt Hitzewallungen. Wie im Fieber walzt Feuer in manchen Gegenden. In anderen frisst Wasser die Küsten. Wir haben das betrauert und sind doch immer wieder abgehoben und geflogen. Doch nun endlich bleiben die Flugzeuge am Boden. Dafür ist ein Virus gelandet. Diese Ankunft im Schrecken hat es gebraucht, um uns zum Innehalten zu bringen.
Die Zeit der Flugreisen und Massenmobilität wird vielleicht als die Ära rasenden Stillstands in die Geschichte eingehen. Jetzt beginnt die Zeit des Stillstands der Raserei (Weibel). Flugplätze, auf denen keine Flugzeuge abheben, verwaiste Autobahnen und Bahntrassen, Straßen, die so leer sind, dass man darauf picknicken kann. Ein Leben in Verlangsamung. Die beruhigten Städte wollen plötzlich wieder erlaufen werden. Die Luft, so kann es einem vorkommen, ist besser denn je dieser Tage.

Angenommen, nicht nur einzelne Individuen, sondern ganze Zivilisationen werden wiedergeboren. Sie leben auf, leben ab, gehen unter, eine neue wird geboren. Sicher ist: Keine Zivilisation kommt zweimal als dieselbe auf die Welt.
Was sich offenbar überlebt hat (bereits jetzt offensichtlich): physische Nähe. Studenten in überfüllten Hörsälen, Angestellte, die sich in Büros gegenseitig auf die Füße treten, kaufhungrige Konsumenten, die sich in Einkaufszentren aneinander vorbeischieben, Fans, die sich in Stadien und auf Festivals zusammenrotten, Umzüge mit tausenden von Teilnehmern – all das ist von gestern. Untersagt in der Gegenwart, geächtet in der Zukunft, weil potentiell gefährlich. Willkommen in der neuen Distanzgesellschaft …

Weil die Nähe gefährlich geworden ist, werden wir uns in der Ferne einrichten.

„Nur vorübergehend“, widersprechen die Rückwärtsgewandten unter den Propheten.
Ich denke, sie haben unrecht. Nach dem Virus wird vor dem nächsten sein. Durch Corona wird deutlich, dass die Massenaufläufe der Moderne zu viel Nähe für Viren bieten. Sie springen von Einem zum Nächsten, mikroskopische Trittbrettfahrer der Mobilität, reisen pfeilschnell mit dem Flugzeug, hüpfen über Landesgrenzen und verbreiten sich kongenial kontinental.
Vor allem die Urlaubsgesellschaft habe Krieg gegen die Natur geführt, schreibt Weibel. „Das Virus zwingt uns dazu, diesen Krieg zu beenden.“
Die Welt wird daran hoffentlich genesen. Natürlich wird das auch für die Menschen heilsam sein. Und wir werden Wege finden, einander auch über die Ferne hinweg nahe zu sein. Genau darin besteht wahrscheinlich die Wiedergeburt.

Genießen Sie die Stille! Bleiben Sie gesund!

Ihr – Otmar Jenner

P.S. Gerade eine Audiodatei zugeschickt bekommen – angeblich eine Mitteilung der Vereinigung der Deutschen Psychiater (natürlich ein Scherz): „Da wir von Anrufen überschwemmt werden, möchten wir Sie, liebe Mitbürger informieren, dass es absolut normal ist in der Zeit der Quarantäne, dass Sie beginnen mit den Wänden, den Pflanzen und anderen Sachen zu sprechen. Rufen Sie uns bitte nur an, wenn sie Ihnen antworten. Danke.“

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